Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Tagung „Zur Situation der Volkskunde 1945-1970. Orientierungen einer Wissenschaft in Zeiten des ‚Kalten Krieges‘“

Vom 09.-11.05.2013 an der LMU München

09.05.2013

In diesem Jahr wird die Deutsche Gesellschaft für Volkskunde 50 Jahre alt.

Auf dem 14. Volkskundetag vom 16. bis 20. April 1963 in Bad Münstereifel wurde der Verband volkskundlicher Vereine in die Deutsche Gesellschaft für Volkskunde (dgv) überführt. Diese Erneuerung der Volkskunde als Gesellschaft mit strikt wissenschaftlicher Organisationsform kann als Einschnitt betrachtet werden, der in der Folge zum Prozess der Konsolidierung des Faches – vor allem um '1968', in Zeiten der Hochschulreform und Studentenbewegung – nachhaltig beigetragen hat. Das anstehende Jubiläum als Ausdruck einer 50jährigen (erfolgreichen) Geschichte sollte zwar auch gefeiert, jedoch wesentlich mehr als Moment des Innehaltens und der Reflexion des paradigmatischen Wandels im Fach genützt werden: Wie überwindet das Fach die Krise, die durch seine Willfährigkeit gegenüber dem NS-Regime bedingt ist? Welche Rolle spielt dabei der 'Kalte Krieg' und die Frontstellung der beiden deutschen Staaten mit ihren jeweils sich ganz unterschiedlich ausbildenden und doch als Einheit gedachten Volkskunden? Wie gestaltet sich das Verhältnis der beiden deutschen Volkskunden zu den Institutionen und den politischen Interessen ihrer jeweiligen Staaten? Kann die westdeutsche Volkskunde auf Modernisierungseffekte durch den Nationalsozialismus (Rolf Dahrendorf) zurückgreifen (z.B. in der „Vertriebenenvolkskunde“,Europäisierungstendenzen)? Welche konzeptionellen Neusetzungen zeitigt die Ausrichtung der DDR-Volkskunde (Zentrierung auf die demokratischenTraditionen, die kulturelle Produktivkraft der Werktätigen)? Welche Rolle spielen Konzepte der DDR-Volkskunde für die beginnende Umgestaltung in der BRD-Volkskunde und derjenigen in Österreich und der Schweiz? Welche durch den Nationalsozialismus verdrängten Denklinien und Ansätze innerhalb der Volkskunde des ersten Drittels des 20.Jahrhunderts werden aufgenommen und neu bedacht? Welche internationalen Einflüsse (US-Soziologie, Cultural Anthropology, Mentalitätengeschichte) kommen zum Tragen und auf welche Weise beeinflussen sie innerfachliche Tendenzen (z.B. in der Fastnachts- und Festforschung)? Wie hängen Tendenzen des „Kalten Krieges“ und des Aufbruch von „1968“ mit dem Paradigmenwechsel zu einer sozialwissenschaftlich-empirischen Kulturanalyse, wie er auf der Falkensteiner Tagung 1970 vom Fach als solchem (allerdings ohne direkte Beteiligung der DDR-Volkskunde) vollzogen wurde, zusammen?

Das 50-jährige Bestehen der dgv bietet ein guten Anlass, die Zeit zwischen 1945 und 1970, zwischen Kriegsende, den beiden deutschen Staatsgründungen und der Tagung in Falkenstein als fachlich klar markierten Einschnitt zum Ausgangspunkt einer fachgeschichtlichen Tagung zu machen. Denn welche Wege die Ablösung aus dem volkskundlichen Paradigma der Ursprungszentrierung in den 1950ern und frühen 60ern letztlich nahm, ist – wirft man einen Blick in die Fachgeschichten – bisher noch nicht gänzlich erhellt.
Da auch das Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der LMU München 2013 sein 50jähriges Bestehen feiert, bietet es sich in besonderem Maße an, die fachgeschichtliche Tagung dort auszurichten.