Vortrag von Prof. Dr. Ivanka Petrova: Postsozialistische Arbeitskultur in Bulgarien. Das Beispiel der Kleinunternehmen
Dienstag, den 25. Juni 2013, 12h c.t. in Raum 133, Oettingenstr. 67
06.07.2013
Prof. Dr. Ivanka Petrova vom Institut für Ethnographie und Folklore der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften Sofia spricht zum Thema
Postsozialistische Arbeitskultur in Bulgarien. Das Beispiel der Kleinunternehmen
am Dienstag, den 25. Juni 2013, 12h c.t. in Raum 133, Oettingenstr. 67
Die postsozialistische Transformation in den Ländern Südosteuropas sowie die Globalisierungsprozesse und die Annäherung an die EU haben grundlegende Wandlungen in einem zentralen Bereich des Alltagslebens verursacht, nämlich im Arbeitsleben der Menschen. Der schwierige Aufbau der Marktwirtschaft nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft, das Einflechten der eigenen Betriebe in neue und konkurrierende Wirtschaftskonstellationen und die Mitarbeit in Filialen ausländischer Unternehmen, die in Südosteuropa eröffnet wurden, konfrontierten die Berufstätigen mit neuen und unbekannten Arbeitsnormen und –anforderungen. Der “Sprung“ von der sozialistischen in die postmoderne Arbeitswelt erwies sich als problematisch und widerspruchsvoll. Neben den bedeutsamen Brüchen hat die Transformation jedoch auch überraschende Kontinuitäten in der Arbeitswelt gebracht, die durch ethnologische Forschungen sehr deutlich sichtbar werden.
Im Vortrag werden die Wandlungsprozesse in der Arbeitskultur in Bulgarien seit 1989 analytisch dargestellt, wobei diese Prozesse im historischen und soziokulturellen Kontext Südosteuropas eingesetzt werden. Dabei sind Betriebe aus dem privaten Kleinunternehmertum als Beispiele gewählt, wo ich in den letzten 12 Jahren systematisch empirische Feldforschungen durchgeführt habe. Als Forschungsschwerpunkte für die Untersuchung sind folgende Aspekte der Arbeitskultur gewählt worden: Verflechtung und spannungsreiches Zusammenwirken von formellen und informellen Beziehungen in der Arbeitswelt; dynamische Verbindung zwischen Arbeitswelt und privater Lebenswelt; Instrumentalisierung der persönlichen Netzwerke und ihre (Aus)Nutzung für das ökonomische Überleben und die wirtschaftliche Stabilisierung; Aufbau und Rolle des personalisieren Vertrauens in der Arbeitswelt. Es werden Wandel und Kontinuitäten der erwähnten Aspekte der Arbeitskultur gesucht, die charakteristisch für die bulgarische wie insgesamt für die südosteuropäischen Gesellschaften sind und die zur Anpassung der Berufstätigen an die Herausforderungen der globalisierten Marktwirtschaft sowie an die EU beitragen.
Dr. Ivanka Petrova ist seit 1999 wiss. Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie und Folkloristik an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Sie hat 1998 über die gegenwärtigen Transformationsprozesse der traditionellen bulgarischen Feste promoviert. Forschungsschwerpunkte ihrer Arbeit sind: Unternehmenskultur, Arbeitswelt, Alltagskultur, Vertrauen, Sozialkapital, kultureller Wandel, Europäisierung, Festkultur. 2010 wurde ihr Buch „Arbeitswelt und Ethnologie“ veröffentlicht, womit sie sich habilitierte. Sie hat in den an unserem Institut durchgeführten Forschungsprojekten “Das Erbe des sozialistischen Alltags: soziale Netzwerke und soziales Vertrauen im Postsozialismus” und “Europäisierung von unten: die EU-Integration im Alltagsleben der Völker Südosteuropas” mitgearbeitet.