Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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"Ambivalentes Geschlechterwissen. Aushandlungen kultureller Differenz in feministischen Initiativen der postmigrantischen Gesellschaft" - DFG, Laufzeit: 2022-2025

Projektverantwortliche: Dr. Miriam Gutekunst

Phänomene wie ‚Zwangsverheiratung‘ oder ‚weibliche Genitalbeschneidung‘ sind in den 1990ern Jahren zu einem verstärkten Fokus feministischen Engagements in Europa geworden. Diese Formen der geschlechtsspezifischen
Gewalt werden als ‚kulturbedingt‘ verhandelt und vor allem in der Gruppe migrantischer Frauen verortet. Damit sind feministische Initiativen, die sich gegen solche Phänomene richten, zentrale Orte der Herstellung, Aushandlung und Reproduktion des Wissens über das Verhältnis zwischen Geschlecht und kultureller Differenz. Dieses Geschlechterwissen (Dölling 2003, 2005) ist Forschungsgegenstand des geplanten ethnographischen
Forschungsprojekts, das zum Ziel hat, einen Beitrag zur Erforschung feministischer Praktiken und Diskurse in einer postmigrantischen Gesellschaft (Foroutan 2019) zu leisten. Die Frage der Bedeutung kultureller Differenz für die Konstituierung von Geschlechterverhältnissen und damit einhergehende Debatten um Othering-Prozesse, Intersektionalität und Rassismen sind ebenfalls spätestens seit den 1990er Jahren - gerade in Zusammenhang mit der
Integrationsdebatte - in Wissenschaft, Aktivismus und Praxis zu einem tief spaltenden Konflikt geworden und erhielten seit der Silvesternacht in Köln 2015/16 erneut eine erhöhte Aufmerksamkeit im medial-öffentlichen Bewusstsein. Der Islam und damit verknüpfte Themen wie das Kopftuch oder Vorstellungen einer spezifisch muslimischen Männlichkeit stellen in Europa einen geschlechterpolitischen Kristallisationspunkt dieser Auseinandersetzungen dar. Eine Reihe
kultur- und sozialwissenschaftlicher Studien beschreiben und kritisieren umfassend vergeschlechtlichte Bilder und Vorstellungen über „kulturell Andere“ sowie die Verstrickungen von Feminismus mit nationalistischen, kolonialen und rassistischen Politiken. Aber wie entsteht dieses Geschlechterwissen in konkreten Praktiken? Wie wird es hergestellt und situativ ausgehandelt? Und zu welchen Wechselwirkungen kommt es zwischen diesem Wissen und (politischem) Handeln? Bei diesen Fragen handelt es sich um ein Forschungsdesiderat, das mit dieser akteurszentrierten, praxeologischen Studie geschlossen werden soll. Das empirische Forschungsvorhaben fokussiert dabei die Phänomene ‚Zwangsverheiratung‘ und ‚weibliche Genitalbeschneidung‘ als Felder feministischen Engagements. Die Perspektiven der Akteur*innen von drei Initiativen aus unterschiedlichen Städten in Deutschland, die in diesem Feld aktiv sind – ihre Selbstverständnisse, Deutungen und Ambivalenzen sowie ihre Praktiken – stehen im Fokus der Untersuchung. Damit bewegt sich das Forschungsprojekt im Schnittfeld von kulturanthropologischer Bewegungs-, Wissens- und Politikforschung sowie Rassismus- und Geschlechterforschung und trägt gleichzeitig zur Weiterentwicklung feministischer sowie postkolonialer Ansätze in kulturtheoretischen Debatten bei.

Weitere Informationen: https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/492003373?context=projekt&task=showDetail&id=492003373&