Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Mein München: Studentisches Ausstellungsprojekt im Stadtmuseum

Wir mischen uns ein! MEIN MÜNCHEN ist eine temporäre Ausstellung, die in die Dauerausstellung „Typisch München!“ interveniert. Das Münchner Stadtmuseum stiftete Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität München dazu an, sich einerseits mit ihrer Wahrnehmung der Stadt und andererseits mit der musealen Repräsentation Münchens auseinanderzusetzen. So entstand ein Themenkatalog der spätmodernen Stadt – 13 Stationen in der Dauerausstellung stören mit ihrem subjektiven Blick die offizielle Geschichte Münchens. Sie ergänzen den städtischen Codex ausgerechnet an einem Ort, der bekannt ist für seine fest definierten Formen. Die Interventionen überschreiten die gängigen Grenzen des Museumsbetriebs und bringen neue gesellschaftliche Positionen an den Ort des Bewahrens und Erhaltens. Durch die verschiedenen Eingriffe wird München – jenseits der Klischees und Traditionen – als Ort der Aktivitäten urbaner Milieus gezeigt. Die subjektiven Perspektiven zeigen die unentdeckten Facetten Münchens und gewähren so einen Einblick in die Vielfalt dieser Metropole.

Stadtgeschichte jetzt mal anders:

Alltägliche Geräusche und Töne aus dem urbanen Raum werden hörbar gemacht und auf einem Modell verortet. In einer Hörbar wird Musik gespielt, die in München komponiert, produziert oder aufgeführt wurde. Der Soundtrack der Stadt München wird damit interaktiv erfahrbar. Von den Gleisen, Straßen und Brücken wird die Kunst u.a. der Münchner Graffitisprayer Loomit, Z-ROK & Flin in das Museum getragen. Dass die Clubszene in München im letzten Jahrzehnt bereits überaus attraktiv war, wird am Beispiel der REGISTRATUR gezeigt, die mit ihrer zwischengenutzten Location in der Blumenstraße Maßstäbe setzte. Und jetzt drehen sich die Plattenteller und die Discokugel zwischen den Vitrinen des Museums weiter. In einer globalisierten Stadt wie München differenziert sich auch die Religionszugehörigkeit der Menschen entsprechend aus. Dies wird anhand der Frömmigkeitsbiografie einer Muslima und einer Buddhistin präsentiert.

Das für München häufig in Anspruch genommene Stimmungsbild „leben und leben lassen“ dokumentieren die Interventionen, die die Normalität lesbischer Lebensweisen und die Geschichte des Münchner Löwen Clubs als ersten schwulen Leder- und Fetischverein in München thematisieren. Manchmal stoßen sie zwar noch auf Ablehnung, insgesamt aber scheinen sie doch sehr selbstverständlich in das städtische Leben integriert. Wie eine historische Perspektive mit einer kritischen Haltung einhergehen kann, zeigt die Beschäftigung mit den aus der früheren Firma KrausMaffei hervorgegangenen Unternehmen. Einerseits belegt sie die historische und gegenwärtige Bedeutung der Industrie für München - die häufig gar nicht als industrielle Stadt wahrgenommen wird - und in der kulturellen Textur der Stadt daher nachrangig scheint. Andererseits thematisiert sie auch die heikle Rolle, welche die Rüstungsproduktion für den Wohlstand der Stadt spielt.

Die Isar ist so etwas wie eine Lebensader für München. Gegenwärtig ist sie vor allem als Naherholungsgebiet bedeutsam. Eben dieser Freizeitwert der Isar ist in das Zentrum des Interesses gestellt und blendet dabei auch die Folgen dieser Nutzungsweisen nicht aus. Das Zusammenwirken von Globalisierung und Lokalisierung, das in den kulturanthropologischen Disziplinen schon länger diskutiert wird, verdeutlicht die Intervention über Münchner Skateboarder, die ihre globale Jugendkultur mit einem modischen Lokalkolorit – Lederhose und Filzhut – versieht. Ihre Decks sind verziert mit symbolhaften München-Bildern, wie dem Schmied von Kochel oder dem Münchner Kindl. Transparente von Demonstranten gegen die Sicherheitskonferenz – die jährlich in München stattfindet – zeigen den kreativen Protest engagierter Kriegsgegner in München. Ihre Parolen hallen in den Ausstellungsräumen wider. Ein anderes, auf den ersten Blick wahrlich unglaubhaft scheinendes Phänomen sind die wilden Siedlungen, die nicht nur in Rio de Janeiro, Istanbul oder anderen Megacities existieren, sondern auch in München, wo Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg illegal Wohnbauten errichteten, deren Status oft bis heute nicht restlos geklärt ist.
Eine subjektive Chronik der jüngeren Münchner Geschichte liefern die Erzählungen von Münchnerinnen und Münchnern, die mehr oder weniger dort beginnen, wo die Geschichte in der Dauerausstellung „Typisch München!“ endet und mag die Besucher/-innen hoffentlich zum Nachdenken über ihre eigene persönliche Chronik anregen. Mobilität ist eines der großen Themen der Gegenwart – insbesondere in Großstädten. MEIN MÜNCHEN zeigt eine Perspektive auf die Stadt, die sich bei den täglichen Arbeitswegen ergibt. Selbst in einer Stadt, die so stark von Reichtum und Wohlstand geprägt ist, leben viele Menschen am Rande der Armut oder unter dem Existenzminimum. Einen möglichen Weg, diesen Problemlagen zu begegnen, wird uns am Beispiel der BISS vorgeführt, welche die erste deutsche Straßenzeitung war und um die herum ein Bündel von Aktivitäten die Integration von Bürgern in sozialen Schwierigkeiten in die Stadtgesellschaft befördern soll.

Die Ausstellung ist durch eine Kooperation des Münchner Stadtmuseums mit dem Lehrstuhl für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München entstanden. Das Projekt bietet den Nachwuchswissenschaftlern und Studierenden eine Plattform zur Formulierung ihrer Vorstellungen von einem aktuellen Stadtmuseum und lässt Akteure der Stadtgesellschaft an der Repräsentation der Stadt partizipieren.

Bayern 2 ist Medienpartner der Ausstellung MEIN MÜNCHEN. Gefördert wurde die Ausstellung durch die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Herbert Utz Verlag München in einem Umfang von 132 Seiten mit ca. 100 teilweise farbigen Abbildungen zu einem Preis von 15 €.

Pressekonferenz: Donnerstag, den 15. November 2012, 11.00 Uhr
Ausstellungseröffnung: Donnerstag, den 15. November 2012, 19.00 Uhr