Stadt im Werden. Ethnografische Perspektiven auf ein Münchner Neubauquartier
Kontakt: Dr. Laura Gozzer l.gozzer@lmu.de
60 Hektar, 5.500 Wohnungen für 15.000 Menschen, Schulen, kulturelle Einrichtungen, Gastronomie, Bibliothek, neue Mobilitätskonzepte und Nahversorgung. Auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne im Norden Münchens entsteht derzeit ein neues Stadtviertel unter dem Motto „Gründerzeit 2.0“. Das Lernforschungsprojekt 2025/26 begleitet die Entstehung des Neubauviertels Neufreimann ethnografisch.
Im Rahmen der zweisemestrigen Veranstaltung untersuchen wir die materiellen, kulturellen und politischen Dynamiken, die die Entstehung des Quartiers prägen, und fragen, was diese über unsere Gegenwartsgesellschaft aussagen. Wie entsteht ein neues Münchner Viertel, während sich drängende soziale, politische und ökologische Probleme zuspitzen? Wie wird an diesem konkreten Ort ein volkskundliches Grundthema und elementares Menschenrecht – Wohnen – geplant?
Visionen und Pläne, Baustellen und Zeitpläne, Hoffnungen und Befürchtungen – das Unfertige ist unser empirischer Ausgangspunkt. Die Entstehungsphase ist geprägt von Offenheit, Imaginationen und ersten tastenden Schritten in die Zukunft. Die Ziele sind groß und umfassen Nachhaltigkeit, soziale Mischung und urbane Dichte, nachbarschaftlicher Zusammenhalt und ressourcenschonende Mobilität. Wie werden diese Ideale materialisiert? Wer gibt den Ton an? Wie steht der werdende Ort im Verhältnis zur umliegenden Nachbarschaft? Welche Rolle spielt die Vergangenheit als Kaserne und als Unterkunft für geflüchtete Menschen? Wer zieht demnächst mit welchen biografischen Erfahrungen und mit welchen Zukunftsvisionen ein? Wie bewohnen die ersten Menschen Neufreimann?
Diesen und anderen Fragen widmet sich das Projekt in Theorie und Forschungspraxis: Im Sommersemester wird die Beschäftigung mit Stadt- und Urbanitätstheorie, Zukunftsforschung sowie Housing Studies begleitet von ausgiebigen ethnografischen Spaziergängen vor Ort und dem Knüpfen von Kontakten. Dabei kooperieren wir mit dem vom Planungsreferat der Stadt beauftragten Quartiersmanagement stattbau in Neufreimann. In dieser Phase wählen die Studierenden eigene Forschungsthemen und beginnen ihre Erhebungen. Von wohnbiografischen Interviews, der Analyse von Plänen und architektonischen Entwürfen oder der teilnehmenden Beobachtung auf Baustellen oder Genossenschaftstreffen bis hin zu historischen Annäherungen an den geschichtsträchtigen Ort ist methodisch vieles möglich. Im darauffolgenden Wintersemester wird das Material ausgewertet und im Sinne einer Kulturanalyse in größere gesellschaftliche Zusammenhänge gestellt. Parallel organisiert das Lernforschungsprojekt eine sechsteilige Veranstaltungsreihe zum Thema im Rahmen des Institutskolloquiums. Abschließendes Ziel ist es, die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit – im Idealfall vor Ort – zu präsentieren.