Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Thomas Heid: „Mensch-Smartphone-Partnerschaften“ und „(im)mobilisierte Hybrid-Aktanten“ – Zum Wandel des Alltags von Smartphone-Nutzern

„Alles Mac. Glückwunsch. Du und dein MacBook Pro seid wie füreinander gemacht.“
(Werbeslogan auf der Titelseite des Handbuchs eines Apple MacBook Pro von 2010)
So ähnlich könnte auch eine „vielversprechende“ Begrüßung auf dem Display eines neu erworbenen Smartphones lauten: „Glückwunsch! Du und dein Smartphone seid wie füreinander gemacht.“
Smartphones mit neuester Touchscreen-Technologie sind zum omnipräsenten und festen, meist selbstverständlichen „Partner“ im Alltag einer immer größer werdenden Zahl von Menschen geworden. Vor dem Hintergrund einer volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Technikforschung nimmt folglich die Frage nach den individuellen Erfahrungsdimensionen im alltäglichen Umgang der Akteure mit dem eigenen Smartphone eine zentrale Rolle ein.
Auf Basis von Interviews, Narrationen, Beobachtungen und Selbstversuchen wurden im Zuge des Lernforschungsprojekts „Mobile Arbeit“ und meiner Magisterarbeit die Veränderungen von arbeits- und lebensweltlichen Alltagspraxen ausgewählter Smartphone-Nutzer im Umgang mit dem eigenen Smartphone als biographische Erfahrungen aus der Akteursperspektive beleuchtet. Gemäß der Akteur-Netzwerk-Theorie wurde davon ausgegangen, dass das Smartphone als nicht-menschliche Entität eine gleichberechtigte und eigenständige Rolle im Netzwerk der Aktantenbeziehungen zu seinen Nutzern einnimmt. Ein partnerschaftsähnliches Verhältnis zwischen Smartphone mit anthropomorpher Eigenschaft und Nutzer begünstigt nicht nur die Verschränkung von Mensch und Technik. Vielmehr wirkt dieses auch verändernd auf interpersonale Kommunikationsweisen und Beziehungen.
Meine Forschungsergebnisse sollen einerseits Beispiele für die Materialisierung von Kultur liefern und zeigen, wie die „unsichtbare“ und gestaltende Rolle von Technik und Technologie aktiv verändernd und strukturierend aus der Perspektive der Akteure auf den gelebten Alltag und deren zwischenmenschlichen Beziehungen wirkt. Andererseits sollen diese aber insbesondere auch Beispiele für mobilisierende und immobilisierende Wirkweisen von Smartphones auf die Nutzer verdeutlichen. Im Fokus hierfür stehen ausgewählte Alltagspraxen und Umgangsweisen mit dem Smartphone, wie etwa die Anthropomorphisierung und Personifizierung beziehungsweise „Beseelung“ des Smartphones sowie die Externalisierung und Extension von Informationen und Wissen mithilfe des Smartphones. Anhand der „Mobilisierung von Wissensbeständen“ (vgl. Götz et al. 2010) und einer „Erweiterung des Geistes“ (vgl. Chalmers/Clark 1998) kann die „Partnerschaft“ zwischen Smartphone und Nutzer hervorgehoben und zugleich die aktivierende wie aber auch deaktivierende Funktion des Smartphones gegenüber dem Nutzer veranschaulicht werden.
Die Betrachtung unterschiedlicher Facetten der Mobilisierung und Immobilisierung von Smartphone-Nutzern durch Smartphones wird somit nicht ausschließlich auf die räumliche und zeitliche Dimension wie beispielsweise virtuell-reale Mobilität in hybrid spaces (vgl. Souza e Silva 2006) gerichtet, sondern es werden unterschiedliche Formen von Mobilitäten wie etwa mentale Mobilität respektive geistige Beweglichkeit (vgl. Voß 2010) in ihrer Vielschichtigkeit und eine Tendenz zur „Aufhebung der Grenzen zwischen Geist, Körper und Welt“ (vgl. Vašek 2012) sowie Technologien betrachtet. Hiebei soll auch die ambivalente Gleichzeitigkeit der Online-Mobilisierung und Offline-Immobilisierung von Smartphone-Nutzern skizzenhaft verdeutlicht werden.
Der methodische Zugriff meiner Feldforschung erfolgte über eine Methodentriangulation aus qualitativen halbstrukturierten Interviews, Narrationen über peinliche, amüsante oder gefährliche Alltagserlebnisse mit dem Smartphone, Beobachtungen und informellen Gesprächen, virtueller Ethnographie durch Partizipation an Diskussionsforen und Selbstversuchen mit ausgewählten Apps, Dokumentation und Reflexion der eigenen Smartphone-Sozialisation sowie dem Einsatz des Smartphones als Hilfsmittel und Werkzeug während der Feldforschung.

Thomas J. Heid wird im Rahmen des diesjährigen dgv-Kongress „Materialisierung von Kultur“, der am 26.09.2013 in Nürnberg stattfindet, einen Vortrag zum Wandel des Alltags von Smartphone-Nutzern mit Fokus auf „Mensch-Smartphone-Partnerschaften“ und stabile „Hybrid-Aktanten“ aus menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren mit eigenen ausgeformten Handlungsprogrammen halten. Siehe hierzu auch: http://www.d-g-v.org