Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Jan Krcek: Doing Diaspora: Ethnografische Einblicke in die diasporische Lebenswelt tibetischer Migranten in München

Als in der ersten Hälfte des Jahres 2008 die in der chinesischen Hauptstadt Peking statt findenden olympischen Sommerspiele ihren Schatten voraus warfen und das Thema „Free Tibet“ weltweit verstärkt diskutiert wurde, erfuhren auch 35 bis 40 tibetische Flüchtlinge - eine der kleinsten ethnisch-nationalen Gruppierungen in der 1,3 Millionen-Einwohner-Stadt München - eine größere Aufmerksamkeit als üblicherweise. In Form von Demonstrationen, Mahnwachen oder auch lautstarkem Aktionismus vor dem chinesischen Konsulat nutzten die Tibeter selbst die Situation, um auf ihr Schicksal und das ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Gerade derartige Momente bringen in verdichteter Weise ans Licht, welche unterschiedlichen Themen, Kontexte und Akteure die lebensweltlichen Erfahrungen einer Gruppe von Menschen prägen, die unfreiwillig fern ihrer Heimat lebt. An dieser Stelle setzt meine Studie an und widmet sich auf Basis eines weniger normativen, sondern offenen und beobachtungsleitenden Diaspora-Modells der alltäglichen Lebenswelt der tibetischen Migranten in München. Mit Hilfe von in teilnehmender Beobachtung und narrativen Interviews erhobenem Material geht sie der Frage nach, auf welche Weise und in welchen Momenten verschiedene Kräfte Einfluss nehmen auf die Konstruktion und Aktivierung sozialer Vernetzungen und auf individuelle wie kollektive Identitätsprozesse: Welche Rolle spielen gemeinsame kulturelle Ressourcen wie das Schicksal der Zerstreuung, der tibetische Buddhismus als religiöses Orientierungssystem, die tibetische Sprache und ein starkes ethno-nationales Identifikationsmuster? Wie wirken rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen des Aufenthaltslandes Deutschland auf soziale Prozesse und Kommunikationspraxen? Und welche Rolle spielt dabei ein lokales Netzwerk? Mit Blick auf die unterschiedlichen Kräfte, die den Alltag der Tibeter prägen, sowie auf die sich immer wieder verändernden kreativen Praxen, Strategien und Taktiken der Tibeter zum Umgang mit jenen vielfältigen Beeinflussungen, schließt die Studie mit einer Diskussion darüber, ob nicht genau diese beiden Aspekte – das „Spannungsfeld der Gleichzeitigkeiten“ sowie das „Doing Diaspora“ - den spezifischen Charakter der tibetischen Lebenswelt in München ausmachen.

Vita Jan Krcek:

Jan Krcek studiert seit 2005 Europäische Ethnologie, Psychologie und Religionswissenschaft in Innsbruck und München. Sein Hauptinteresse gilt Phänomenen spätmoderner Arbeits- und Lebenswelten, Migrationsprozessen, Identitätskonstruktionen sowie wissensanthropologischen Fragestellungen.