Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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ANZHELA GRIGOROVA: Stabilität abseits des Arbeitsmarkts

Ein-Euro-Jobber zwischen „Fordern“ und „Fördern“

Seit den 1990er Jahren orientiert sich die Gesetzgebung von Arbeitsförderung und Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland am „workfare“-Ansatz, der im Gegensatz zur bis dahin zugrunde gelegten „welfare“-Modell die Philosophie vertritt, dass Arbeit aufgrund der damit verbundenen psychischen und physischen Anforderungen nicht freiwillig angenommen, sondern eher abgelehnt wird. Die sogenannten Hartz IV-Reformen, mit denen die rotgrüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder die Arbeitsmarktpolitik und den Sozialstaat umbaute, orientieren sich an diesem „workfare“-Ansatz.

Die hier vorgestellte Feldstudie untersucht die Praxis eines dieser Instrumente einer „aktivierenden“ Arbeitspolitik: die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“, die offiziell „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ heißen. Gleichwohl sind die hier vermittelten Einblicke in eine Institution, die speziell für Langzeitarbeitslose die „Chance“ eines Neustarts auf der Basis eines Ein-Euro-Jobs“ gibt, ein besonderer Fall; die „Chance-Betriebe“ in München sind eine gemeinnützige Organisation und die hier beschäftigen 25 Ein-Euro-JobberInnen konkurrieren nicht mit Angestellten des „ersten Arbeitsmkarktes“, sondern erfahren hier einen gewissen Schonraum, überdies ohne reguläre Arbeitsplätze zu vernichten. Die ethnografische Näherungsarbeit an diesem besonderen Ort ermöglichte es, Erkenntnisse über die Ziele der gemeinnützigen Organisation und ihren Arbeitsalltag in der Praxis zu gewinnen und mehr über die mit der Maßnahme zusammenhängenden Veränderungen in den Lebensumständen der Betroffenen aus deren Perspektive zu erfahren.

Während für die einen der Ein-Euro-Job eine Übergangslösung oder eine Pflicht mit ungewissem Ausgang darstellt, ist für andere die Teilnahme an der Maßnahme mit positiven Auswirkungen auf ihre Lebenssituation verbunden. So wirken der strukturierte Tagesablauf, die Knüpfung sozialer Kontakte und die gesellschaftliche Wertschätzung durch das Nachgehen einer Erwerbsarbeit  positiv auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen, auch wenn sie wissen, dass sie kaum (noch) eine Chance auf dem „ersten Arbeitsmarkt“ haben werden.

Siehe auch:

Grigorova, Anzhela (2010): Stabilität abseits des Arbeitsmarkts. Ein-Euro-Jobber zwischen „Fordern“ und „Fördern“. In: Irene, Götz/Huber, Birgit/Kleiner, Piritta (Hg.): Arbeit in neuen Zeiten. Ethnografien zu Ein- und Aufbrüchen. München, S. 79-88.
Buchvorschau (Utz Verlag)

E-Mail schicken an anzhela.grigorova@yahoo.de E-Mail an Anzhela Grigorova