Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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THOMAS HEID: Der Anlagekapitalismus lebt

Wie selbständige Finanzberater die Wirtschaftskrise überstehen

Die weltweite Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise fand 2008 in der Immobilienkrise ihren Anfang: Sie breitete sich auf dem amerikanischen Immobilien- beziehungsweise Immobilienfinanzierungsmarkt durch die engen internationalen Geschäftsbeziehungen im Kredit-Refinanzierungsbereich vieler Banken zu einer global wirkenden Krise aus. Die selbständigen Finanzberater, die mit unterschiedlicher Intensität von dieser Krise direkt in arbeits- und lebensweltlicher Perspektive beeinflusst worden sind, befinden sich im Fokus dieser Arbeit. Sie sind auf die private finanzielle Vorsorge eines heterogenen Kundenkreises spezialisiert und haben die nachhaltige Absicherung und Vermehrung der Finanzen ihrer Kunden durch die Anlage und das Management von Portfolios, wie beispielsweise Aktien, Immobilien und diverse Fonds, zum Ziel. Doch erwiesen sich diese scheinbar sicheren Versicherungs- und Finanzanlageprodukte in der Wirtschaftskrise als höchst riskant und waren besonders von Verlusten betroffen. So sehen sich die Vertreter der Berufsgruppe zunehmend einer bereiten öffentlichen Kritik sowie dem Vorwurf der Unseriösität ihres ganzen Berufsstandes ausgesetzt.

Das gestörte Vertrauen in diese Branche macht die (keinesfalls einheitliche) Berufsgruppe der selbständigen Finanzberater zu einem einerseits besonders spannenden, andererseits aber auch schwierigen Untersuchungsfeld, weil es prototypisch Einblick in Ideologeme und Träume, Strategien und Praktiken sowie nicht zuletzt in die Auswüchse des Anlagekapitalismus, wie er längst auch im Alltag und den Zukunftssicherungsmodellen ganz „gewöhnlicher“ Sparer angekommen ist, zu geben verspricht.

In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen nachzuzeichnen, ob und wie sich die geschäftlichen Strategien der Finanzberater durch die Krise verändert haben. In Interviews mit zwei sehr unterschiedlichen Vertretern dieses Berufsstandes wird insbesondere die Frage verfolgt, wie sich aus Finanzberaterperspektive die Veränderungen der Beziehungen der Kunden zu ihren Finanzberatern zeigen und sich diese auf die Gestaltung des Arbeitsalltags und das Berufsbild auswirken.Welche individuellen Strategien und Taktiken entwickeln die Berater, um einem Vertrauensverlust ihrer Kunden und dem drohenden Imageverlust der Finanzbranche sowie ihrer eigenen vielleicht prekären Zukunft entgegenzuwirken? Welchen Stellenwert erhält in diesem Zusammenhang die Emotionsarbeit?

Siehe auch:

Heid, Thomas J. (2010): Der Anlagekapitalismus lebt. Wie selbständige Finanzberater die Wirtschaftskrise überstehen. In: Irene, Götz/Huber, Birgit/Kleiner, Piritta (Hg.): Arbeit in neuen Zeiten. Ethnografien zu Ein- und Aufbrüchen. München, S. 103-122.
Buchvorschau (Utz Verlag)

E-Mail schicken an thomasjheid@gmx.de E-Mail an Thomas Heid