Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

OLGA REZNIKOVA: "Die Arbeit war nicht so wie jetzt"

Auswirkungen der ökonomischen Umstrukturierung in einer kleinen Münchner Rahmenfabrik auf die Lebenswelt und den Habitus der Beschäftigten

Diese ethnografische Fallstudie befasst sich mit einem kleinen Familienunternehmen und zielte zunächst darauf, die Arbeitswelt, die kulturellen Regeln und Werte der Arbeiter und ihrer Vorgesetzten,  „von innen“ zu verstehen. Es handelt sich hier um eine Fabrik für Bilderrahmenproduktion, die durch Konkurrenz von „Billiganbietern“ aus China zu Rationalisierungen und Entlassungen gezwungen ist. Während im Jahr 2007 noch zwölf Mitarbeiter, die Hälfte meist italienischer Herkunft, beschäftigt war, waren zum Zeitpunkt der hier durchgeführten teilnehmenden Beobachtungen noch fünf Mitarbeiter für dieses Unternehmen tätig. Zu den Ängsten vor neuen Entlassungen kamen während der Feldforschung spürbare weitere Umstrukturierungen als krisenhafte Belastungen der Arbeiter/innen hinzu: Der Juniorchef war dabei, eine neue Arbeitsorganisation, flachere Hierachien und subjektivierte, entgrenzte Arbeitsformen einzuführen, die mit den gewohnten Routinen des „arbeiterlichen Habitus“, dem herkömmlichen fordistischen Arbeitsregime, brachen. Die Beschäftigen, die ihre Erwartungen an klare raumzeitliche Grenzen und straffe Führungsstrukturen verteidigten, leisteten Widerstand gegen die Umstrukturierung.

Die persönliche Bindung zum Unternehmen und die Bewertung des vorhandenen Wandels wurden mit Hilfe von Vergangenheitskonstruktionen von jedem Mitarbeiter neu ausgehandelt. Durch die aktuellen Transformationsprozesse gewann das gemeinsam produzierte, eine homogene harmonische Betriebsgemeinschaft beschwörende Bild der Vergangenheit von der persönlich vom „Patron“ geführten Firma an funktioneller Bedeutung. Seine Inhalte möchte die Arbeit im Zusammenhang mit den gegenwärtigen individuellen und kollektiven Aushandlungen über Gleichheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen sowie Zukunftsängste auf- zeigen. Die Größe der Fabrik erlaubte auch, mit weichen Methoden, wie der teilnehmenden Beobachtung und qualitativen Interviews, alle Akteure „zum Sprechen zu bringen“ und so eine Vielstimmigkeit zu berücksichtigen bzw. zu erzeugen. Dabei wurde die Rolle der Forscherin aus dem Kontext der Untersuchung nicht ausgeklammert, sondern als Kristallisationspunkt der Kulturanalyse in Bezug auf hierarchische Strukturen und ethnische Solidarität gesehen.

Siehe auch:

Reznikova, Olga (2010): „Die Arbeit war nicht so wie jetzt“ – Auswirkung der ökonomischen Umstrukturierung in einer kleinen Münchner Rahmenfabrik auf die Lebenswelt und den Habitus der Beschäftigten.  In: Irene, Götz/Huber, Birgit/Kleiner, Piritta (Hg.): Arbeit in neuen Zeiten. Ethnografien zu Ein- und Aufbrüchen. München, S. 41-54.
Buchvorschau (Utz Verlag)

E-Mail schicken an olga.reznikova@yahoo.com E-Maill an Olga Reznikova