Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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M.A. Elena Zendler

Doktorandin

Betreuerin: Prof. Dr. Irene Götz

Arbeitstitel:

Abstract Stand Februar 2025

"Das Altsein ist nun einmal kein leichtes Unternehmen".

Späte Lebensrealitäten von Schriftstellerinnen der Münchener Jahrhundertwende

Alltag, Netzwerke, Prekarisierungen

München galt im ausgehenden 19. Jahrhundert als eine der bedeutendsten Kunststädte Europas, die zahlreiche Schriftsteller*innen, Maler*innen, Schauspieler*innen und andere kreative Menschen anzog. Sie trafen und vernetzten sich in Kaffeehäusern, Kneipen, literarischen Salons und Vereinen. In der Kunst- und Literaturgeschichtsschreibung wurde und wird bis heute vor allem an die Männer erinnert, die zu dieser Zeit in München kreativ tätig waren. Doch neben ihnen lebten und arbeiteten auch zahlreiche Künstlerinnen. Ihre Beiträge und Erfolge werden allerdings erst in den letzten Jahren allmählich "wiederentdeckt". Viele dieser Frauen sind auch heute, wenn überhaupt, nur in Fachkreisen bekannt.

Das Dissertationsprojekt zielt darauf ab, Einblicke in die Biografien bislang weitgehend von der Forschung vernachlässigter Schriftstellerinnen zu ermöglichen, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in München lebten. Dabei rückt es bislang unbeachtete Aspekte ihrer Lebensrealitä-ten in den Fokus. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Alter dieser Frauen – einer Lebensphase, die oft von Unsicherheit, Prekarisierung und gesellschaftlicher Marginalisierung geprägt war, insbesondere in den Jahren des Nationalsozialismus. Diese Thematik wurde in der bisherigen Forschung zu weiblichen Kunstschaffenden nur unzureichend behandelt.

Im Zentrum der aktuellen Recherche steht die Schriftstellerin Helene Böhlau (1856–1940), insbesondere aufgrund der Möglichkeit, auf Dokumente aus dem Privatbesitz der Familie zugreifen zu können. Zudem findet eine intensive Auseinandersetzung mit den Schriftstellerinnen Regina Ullmann (1884–1961) und Anna Croissant-Rust (1860–1943) sowie mit der Musikerin und Schriftstellerin Margarethe Quidde (1858–1940) statt. Sie alle pflegten umfangreiche Netzwerke innerhalb Münchens, und ihre Nachlässe enthalten zahlreiche Schriftwechsel aus ihren späteren Lebensphasen, die neues Forschungspotenzial eröffnen.

Nach einer geschichtlichen Einordnung, die vor allem genderspezifische Aspekte berücksichtigt, werden ihre Erfahrungen sowie am Rande auch die (späten) Lebensrealitäten weiterer Schriftstellerinnen der Münchner Jahrhundertwende näher untersucht. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, welche individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen die Akteurinnen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer – für die damalige Zeit oft unkonventionellen – Lebensgestaltung bewältigen mussten. Anschließend wird analysiert, wie sich ihre Lebensrealitäten im Alter entwickelten und wie sie mögliche Prekarisierungen wahrnahmen. Außerdem wird hier auch die Wahrnehmung durch ihr Umfeld berücksichtigt. Zudem wird die Bedeutung der im Laufe ihres Lebens aufgebauten Netzwerke in den späteren Lebensphasen thematisiert.

Hierfür erfolgt im Rahmen der historischarchivalischen Forschung eine eingehende Analyse der Nachlässe der Schriftstellerinnen des Samples. Diese werden in verschiedenen Archiven gesichtet, dokumentiert und einer vertieften Untersuchung unterzogen. Das Projekt ist primär der historischen Biografieforschung zuzuordnen und thematisiert dabei unter anderem Konzepte der Prekarisierungsforschung, der Geschlechterforschung, der Alltäglichen Lebensführung sowie der Kapitalbegriffe nach Pierre Bourdieu.

Das Dissertationsprojekt wird von der Hanns-Seidel-Stiftung gefördert.

Monografie (Masterarbeit): Elena Zendler (2023): Vergessen und Wiederentdeckt? Lebensrealitäten von Künstlerinnen der Schwabinger Bohème zwischen Unsicherheit, Altersarmut und später Wertschätzung. München (Utz-Verlag).