Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Prag: Erinnerungskultur im ‚postnationalen Zeitalter‘? (2.‒7. April 2013)

Vom 2. bis zum 7. April 2013 fand unter Leitung von Irene Götz und Marketa Spiritova eine Exkursion zum Thema „Erinnerungskultur im ‚postnationalen Zeitalter‘?“ nach Tschechien statt, die im Vorfeld in einem Blockseminar mit 24 Hauptfachstudierenden inhaltlich (tschechische Geschichte, Politik und Gesellschaft des 20./21. Jahrhunderts), theoretisch-konzeptuell (Erinnerungsorte, kulturelles Gedächtnis, kollektive Identitäten) und methodisch vorbereitet wurde. Nach der Ankunft in Prag nahmen wir an einer Stadtführung mit dem Titel „Auf den Spuren der grauen Geschichte“ teil, die uns an die zentralen Orte führte, die im offiziellen Diskurs als politische Mythen und Erinnerungsorte der tschech(oslowak)ischen Geschichte gelten: das Nationalmuseum, der Wenzelsplatz, das Jan Hus Denkmal auf dem Altstädterring und das Militärhistorische Museum, das die Nationalgeschichte als eine große Widerstandserzählung inszeniert. Der zweite Tag begann mit dem Besuch des Instituts zur Erforschung totalitärer Regime, wo uns Frau Dita Jelínková in einem gelungenen Vortrag die Arbeit des Instituts vorstellte und sich nicht ganz selbstverständlich, da die regierungsaffine Behörde oftmals für negative Schlagzeilen sorgt sehr offen den kritischen Fragen der Studierenden stellte. Danach stiegen wir auf den Vítkov-Hügel mit der 16,5t schweren Statue des Hussitenführers Jan Žižka, wo das in der Bevölkerung unbeliebte monumentale Nationaldenkmal steht, das unter anderem das morbide Mausoleum des ersten kommunistischen Machthabers Klement Gottwald beherbergt sowie die Ausstellung „Wegkreuzungen der tschechoslowakischen Geschichte“, die die „großartigen“ sowie „tragischen“ nationalen Erinnerungsorte (1918, 1938, 1945, 1948, 1968, 1989) multimedial präsentiert. Im Anschluss daran wurden wir im Institut für Zeitgeschichte begrüßt, wo wir mit Dr. Tomáš Vilímek und Dr. Jiří Hoppe über die Erinnerungskultur in Tschechien diskutieren konnten. Gebündelt haben wir die Eindrücke und Beobachtungen der ersten zwei Tage dann zu später Stunde bei einer gemeinsamen Diskussion in den Räumen der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität. Am dritten Tag fuhren wir nach Ústí nad Labem, ehemals Aussig an der Elbe, wo es um die Thematik Flucht und Vertreibung gehen sollte. Im Collegium Bohemicum stellten uns Thomas Oellermann und Jan Šícha ihre grenzüberschreitende Arbeit vor und gaben uns einen spannenden Einblick in den Entstehungsprozess der Ausstellung „Deutsche, Tschechen und Juden in Böhmen“, die einem auf Multiperspektivität ausgerichteten Geschichtsnarrativ folgen soll. Danach erhielten wir eine Stadtführung von Dr. Petr Němec, die uns an zentrale Orte der verschiedenen Erinnerungsschichten der Stadtgeschichte führte (Industrialisierung, Modernisierung, Zweiter Weltkrieg, Vertreibung, Sozialismus). Am vierten Tag fuhren wir nach Theresienstadt, wo wir gemeinsam mit dem Freiwilligen Niklas Lämmel das „Theresienstädter Ghetto“ erkundeten um anschließend Themen wie etwa „Gedenkstättenpädagogik und Gedenkstättentourismus“ zu diskutieren. Der vorletzte Tag führte uns nach Lidice, einem der zentralen und für geschichts- und identitätspolitische Zwecke instrumentalisierten Gedenkorte Tschechiens, wo 1942 das gleichnamige Dorf im Zuge der Heydrichade dem Erdboden gleichgemacht wurde. Am späten Nachmittag folgte das Kontrastprogramm mit dem Besuch des kommerziellen, von einem amerikanischen Hotelier gegründeten Museum des Kommunismus in Prag, das die Zeit zwischen 1948 und 1989 als ein aus amerikanisch-westlicher Perspektive gedeutetes Kuriositätenkabinett denn als ein Beitrag zum Erinnerungsdiskurs versteht. Am letzten Tag widmeten wir uns dem jüdischen kulturellen Erbe und nahmen an einer Führung durch das Prager jüdische Viertel mit seinen zahlreichen Synagogen teil. Unsere erinnerungskulturelle Spurensuche diskutierten wir abschließend bei einem gemeinsamen Abendessen im Gasthaus „Lokál“ sowie an einem sommerlichen Abend in München, wo die Studierenden in kurzen Referaten ihre Erkundungen präsentierten. Abschließend möchten sich Exkursionsleitung und Studierende ganz herzlich bei Lucie Bartoňová und Petra Steiger für ihre hervorragenden Führungen und Dolmetscher bzw. Übersetzungsdienste sowie beim Dekan der Fakultät 12 sowie beim Vorstand der Münchner Vereinigung für Volkskunde für deren großzügige finanzielle Förderung bedanken. Děkujem!