Von den Bürgervillen zum Gemeindebau ‒ Wohnen in Wien (13.– 18. März 2017)
Die Exkursion des Wintersemesters 2016/17 widmete sich diversen stadtanthropologischen Fragen, die am Beispiel der Großstadt Wien vor Ort beleuchtet wurden. An der Exkursion nahmen planmäßig 20 Studierende und 2 Lehrkräfte teil. Insbesondere bezüglich der Themenschwerpunkte (historische) Stadtentwicklung und (sozialer) Wohnungsbau stellte Wien ein interessantes und geeignetes Beispiel dar. Am Nachmittag des Anreisetags (13.03.) erhielt die Exkursionsgruppe in Begleitung von Dr. Jens Wietschorke zunächst eine Führung durch das Schottenstift. Ein Mönch der Benediktinerabtei führte uns durch die Klosteranlagen und berichtete über das Leben im Kloster, die Ausbildung im dazugehörigen Gymnasium und zeigte uns die Klosterbibliothek. Im Anschluss an die Besichtigung des Schottenstifts wurden unter der Leitung von Jens Wietschorke verschiedene Kirchenräume in Wien erkundet. Der Fokus lag hierbei insbesondere auf der Votivkirche, den historischen und politischen Bedingungen ihrer Entstehung und der Geschichte ihrer Kirchenfenster. Außerdem wurde ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in einer weiteren Kirche besichtigt und diskutiert.
Am zweiten Tag (14.03.) fuhren wir zum Karl-Marx-Hof, den wir als ein erstes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau in Wien besichtigten. Wir erhielten eine Führung durch den Gebäudekomplex und durch das im ehemaligen Waschsalon untergebrachte Museum. Der thematische Schwerpunkt der Ausstellung lag auf der Geschichte des „Roten Wiens“ der 1920er und frühen 1930er Jahre, von der Sozial- und Gesundheitspolitik über das Bildungswesen bis zum Wohnbau. Während und nach der Führung gab es die Gelegenheit, mit dem Verantwortlichen ausführlich über diesen Abschnitt der österreichischen Geschichte zu diskutieren. Am Nachmittag mussten die Studierenden individuelle Recherchen zum Exkursionsthema durchführen. Der darauffolgende Tag (15.03.) wurde von Georg Wolfmayr, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut für Europäische Ethnologie in Wien, geleitet. Zu Fuß erkundete die Exkursionsgruppe die Donauinsel, das Gelände der UNO/Donaucity, die alte Donau und Kaisermühlen. Am Nachmittag fuhren wir gemeinsam in den 15. Bezirk, wo wir im Gespräch mit dem Leiter einer Nachbarschaftsinitiative über die Gentrifizierungsprozesse in diesem Bezirk sprechen konnten. Im Anschluss an den Rundgang gab es ein gemeinsames Arbeitsessen im Traditionslokal „Wratschko“, bei dem über die Erfahrungen des Tages diskutiert wurde. Anschließend führte Georg Wolfmayr noch durch die Subkulturszene am Wiener Gürtel.
Der vierte Tag (16.03.) begann mit der Besichtigung eines weiteren Beispiels für die soziale Wohnungsbaupolitik in Wien. Wir erhielten eine umfangreiche Führung durch den von dem Architekten Harry Glück gebauten Wohnpark Alt-Erlaa und die dazugehörigen Anlagen. Unser Ansprechpartner erklärte insbesondere die Funktionsweisen der aufwendigen Infrastruktur einer derart großen Wohnanlage und beantwortete viele Fragen zur Geschichte und Entstehung des Wohnparks, zu den günstigen Mietpreisen bei hohen Wohnstandards sowie den Bewohner:innen und ihrer Alltagsgestaltung. Am Nachmittag des vierten Tages waren wir im Rahmen des Institutskolloquiums am Institut für Europäische Ethnologie der Uni Wien zu einem Gespräch eingeladen. Vor unserer Exkursionsgruppe sowie Wiener Studierenden und Mitarbeiter:innen des Instituts stellten Prof. Brigitta Schmidt-Lauber und Prof. Johannes Moser gegenseitig ihre jeweiligen Institute, Mitarbeiter:innen, Forschungsprojekte und Publikationen vor und diskutierten über das Konzept eines „Habitus der Stadt“. Im Anschluss an das Kolloquium gab es die Möglichkeit für einen lockeren Austausch mit Wiener Studierenden und Mitarbeiter:innen des Instituts. Am Vormittag des fünften Tages (17.03.) lag der Schwerpunkt erneut auf Fragen zu Wohnformen und Wohnungsbaupolitik in Wien. Der Autor und Fotograf Michael Schmid führte die Exkursionsgruppe zunächst durch das Villenviertel Hietzing. Wir erhielten interessante Details zur Geschichte und Architektur einiger ausgewählter Villen und lernten mit dem Spaziergang durch dieses Viertel eine weitere neue Facette der verschiedenen Wohnformen in Wien kennen. Nach dem Rundgang durch Hietzing besichtigten wir weiterhin unter der Leitung von Michael Schmid außerdem die Werkbundsiedlung und sprachen hier über eine weitere Form der Architektur der 1930er Jahre und den sozialen Wohnungsbau in Wien. Am Nachmittag führten die Exkursionsleiter die Exkursiongruppe über den neuen Campus der Wirtschaftsuniversität und in das beeindruckende Hauptgebäude von Zaha Hadid. Im Anschluss daran beschäftigten wir uns mit der Geschichte der Populär- und Vergnügungskultur am Beispiel Praters. Zunächst erhielten wir eine Führung im Pratermuseum. Der Fokus lag hier auf der Entstehung und Entwicklung des Praterareals und der Weltausstellung in Wien 1873. Nach dem Pratermuseum gab es die Möglichkeit den Prater selbst zu besichtigen und auch Fahrgeschäfte auszuprobieren. Das gemeinsame Essen im Schweizerhaus auf dem Prater stand ganz im Zeichen einer abschließenden Diskussion der Exkursionserfahrungen.
Am Abreisetag (18.03.) war eigentlich ein Spaziergang zum Kahlenberg und durch die Weinberge geplant, um einen Überblick über die Stadt Wien zu erhalten. Leider war dies auf Grund des schlechten Wetters nicht möglich, weshalb die Exkursionsgruppe entschied, das Museum für Volkskunde zu besichtigen. Dort besuchten wir die Ausstellung „Handyfilmen – Jugend. Alltag. Medienkultur“, die in Kooperation mit der Universität Zürich entstanden ist und sich mit der alltäglichen Bedeutung und des Konstruktions- und Handlungsspielraumes des Handyfilmens als Medium auseinandergesetzt hat. Nach einem gemeinsamen Mittagessen trat die Exkursionsgruppe schließlich die Rückreise nach München an.