Institut für Empirische Kulturwissenschaften und Europäische Ethnologie
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Maria Schwertl

Wohnen als Verortung: Identifikationsobjekte in deutsch-/türkischen Wohnungen

 

Der Status, Habitus und Lebensstil von Deutsch-/TürkInnen kann nicht nur mit Blick auf ihre finanziellen, sozialen und kulturellen Ressourcen im Nationalraum Deutschland erkundet werden, sondern muss im Kontext von transnationalen Räumen gesehen werden. Den Ergebnissen der Transnationalismus-Forschung folgend eruiert die Studie, einen neuen, transnationalen Blick auf Sozialräume und darin entfalteten Habitus und Lebensstil und bricht damit mit methodologisch nationalistischen Betrachtungsweisen von Sozialraum und Lebensstil. Durch die Untersuchung einer Gruppe von (Trans)MigrantInnen mit starken Aufstiegsaspirationen wird deutlich, wie sich (Trans)MigrantInnen durch transnationalen Lebensstil und Identifikationsobjekte über Zuschreibungen und Nicht-Anerkennungs-Mechanismen des nationalen Sozialraumes hinweg setzen.

Mittels dichten Beschreibungen von Wohnbiographien und Wohnungen der Protagonisten argumentiere ich in meiner Magisterarbeit dafür, dass es einen transnationalen Habitus gibt. Das Konzept des transnationalen Habitus, welches sich auf Pierre Bourdieus Theorie bezieht und bereits von Luis Guarnizo in einem Aufsatz entworfen wurde, wird also in der Studie exemplifiziert und auf seine Handhabbarkeit überprüft. Als Kristallisationspunkte werden in der Studie Identifikationsobjekte angesehen. Das sind einzelne Objekte, welche bewusst oder unbewusst auf Identitätsinhalte und – arbeit verweisen. Nach Stuart Hall ist Identität Prozess, und nicht vor ihrer Repräsentation existent. Insofern erscheint der Begriff ‚Identifikation’ zur Bezeichnung dieses Prozesses passender als ‚Identität’. Wohnungen als sowohl identitäre, wie repräsentative Räume, als Ich-Museen (Selle), und Hort verschiedenster Identifikationsobjekte, verweisen auf Identitätsinhalte und Lebensthemen, wie ‚Arbeit’, ‚Familie’ oder kulturelle und soziale Verortungen. Transnationalisierungen werden in den untersuchten Wohnungen vor allem über Fotografien, Souvenirs, Geschenke und Objekte mit nationalkulturellem Verweis quer zu anderen Themen und Inhalten signalisiert. Diese Objekte sind Zeichen und verweisen auf soziale Netzwerke, Familie, Besitz oder kulturelle Fertigkeiten und transnationales Wissen.

Interessanterweise zeigen sich im untersuchten Sample Unterschiede in der Wohnungsgestaltung zwischen Personen, welche transnational agieren und solchen, welche dies kaum tun: Personen, die nicht transnational agieren, arrangieren keine transnationalen Objekte in ihren Wohnungen und verweisen mit ihren Objekten auf andere Identitäts- und Lebensinhalte, wie Arbeit, Familie oder Hobby. Die nicht oder kaum transnational Agierenden haben zudem eine weitere Gemeinsamkeit: sie haben in Deutschland größeres symbolisches Kapital, das heißt Anerkennung, als die anderen untersuchten Protagonisten, oder verfügen generell über eine so gute finanzielle Ausgangssituation, dass ihnen Verweise auf transnationale Verortungsmöglichkeiten und Kapitalien weniger wichtig sind. Ob transnationale Positionen eingenommen werden oder nicht ist somit Verortungsstrategie, welche sich in Objekten widerspiegelt, für deren stärkere Betrachtung innerhalb der Transnationalismus-Forschung die Magisterarbeit deswegen plädiert.